Whistleblowing fördern?


Warum sollten Unternehmen Whistleblowing fördern?

In der Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahre 2014 nach dem Bundeslagebild, welches jährlich durch das Bundeskriminalamt veröffentlicht wird, durch Wirtschaftskriminalität eine Gesamtschadenssumme in Höhe von 4,645 Mrd. Euro verursacht. Der mittelbare Schaden ist in dieser Statistik jedoch nicht erfasst, da dieser - im Gegensatz zu einem unmittelbaren Schaden - schwerlich beziffert werden könnte. Es liegt jedoch auf der Hand, dass, sofern öffentlich bekannt wird, dass in einem Unternehmen Missstände existieren, wie im Falle des Volkswagenabgasskandals, dies nicht nur zu einem Reputationsverlust, sondern auch zu einem Kursverlust führen kann, obwohl bei Volkswagen nicht einmal feststeht, wer den Skandal zu verantworten hat. Am Ende kann für das Unternehmen ein solcher Skandal auch mit Geldbußen verbunden sein.

 

Vor diesem Hintergrund beantwortet sich auch die Frage, warum ein Unternehmen ein System für Whistleblowing fördern sollte. Angesichts eines volkswirtschaftlichen Schadens in Höhe von 4,645 Mrd. wird ein freiwilliges Whistleblowing-System für ein Unternehmen rentabel sein, wenn dadurch ein wirtschaftlicher oder ein Imageschaden vermieden oder zumindest vermindert werden kann. Man stelle sich nur vor, unmittelbar nach der Einführung der Manipulationssoftware bei VW wäre dieser Umstand aufgedeckt worden und vergleicht diese Fiktion mit der realen Strafdrohung, welche allein in den USA mit 18 Mrd. US-Dollar beträgt, bzw. mit den Kursverlusten in Deutschland nach Bekanntwerden.

 

Sicherlich wäre es übertrieben, die Vermeidung dieser Schäden allein der Möglichkeit des Whistleblowing zuzuschreiben, denn die börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben in der Regel ein Compliance-System, welches auch ein Whistleblowing vorsieht. Im Beispielsfall hat dieses jedoch offensichtlich versagt. Dies möglicherweise jedoch allein vor dem Hintergrund, dass es für das Whistleblowing bei uns keine entsprechende Kultur gibt und dies eher als Verrat angesehen wird, was den Betroffenen zumeist von einer solchen Handlung abhält.

 

Es ist daher erforderlich, das Whistleblowing näher zu charakterisieren:

 

Der Whistleblower ist, ins Deutsche übersetzt, bestmöglich als Hinweisgeber zu bezeichnen. Nachstehend wird jedoch an der englischen Originalbezeichnung festgehalten.

 

Das Whistleblowing beschreibt dabei den Vorgang des Hinweisgebens. Bei dem Hinweis handelt es sich in der Regel um einen Missstand, auf den mittels einer Offenbarung von Informationen aufmerksam gemacht werden soll. Eine Offenbarung kann dabei zum einen an eine interne Whistleblowingstelle, sofern das Unternehmen eine solche für seine Mitarbeiter bereitstellt, oder an eine entsprechende externe Stelle gerichtet werden.

 

Bei der Einrichtung einer externen Stelle sollte die mit dem Whistleblowing betraute Stelle, mit einem Berufsgeheimnisträger besetzt sein. Dies ist mit der Regelung des § 53 StPO zu begründen, da ein Berufsgeheimnisträger im Zweifel ein sogenanntes Zeugnisverweigerungsrecht nach dieser Vorschrift zusteht.

 

Dieser Vorteil spricht auch gegen eine interne Whistleblowingstelle. Selbst wenn ein Unternehmen die intern geschaffene Whistleblowingstelle mit einem Syndikusanwalt besetzt, wäre dies keine ausreichende Lösung da dieser bei dem Unternehmen angestellt ist, so dass sich für diesen im Verhältnis zum Whistleblower die Frage der Interessenkollision stellt. Er kann somit nicht der unabhängige Interessenvertreter sein. Es ist daher bereits aus diesem Grund schwierig, eine Vertrauensbasis zu dem potenziellen Whistleblower aufzubauen, weshalb das Whistleblowingsystem Gefahr läuft, entweder gar nicht oder nicht effektiv zu arbeiten. Grundsätzlich kann Whistleblowing unternehmensintern beispielsweise an den Compliance Officer, den Betriebsrat, den Aufsichtsrat, oder auch die Revision, gerichtet werden.

 

Mit der Beauftragung einer externen Whistleblowingstelle, also einer Stelle, welche außerhalb des Unternehmens angesiedelt und der obigen Empfehlung entsprechend besetzt ist, kann dieses, dem Whistleblower so wichtige, Vertrauen vermittelt werden. Dieses Vertrauen muss jedoch der externen Whistleblowingstelle in doppelter Form entgegengebracht werden, nämlich zunächst von dem sie beauftragenden Unternehmen und des Weiteren ebenfalls durch den potentiellen Whistleblower selbst.

 

Das Unternehmen muss sich sicher sein, dass die mit dem Whistleblowing betraute externe Stelle, die ihr zur Kenntnis gelangten Informationen nur unter Wahrung der Vertraulichkeit betreffend der Person des Whistleblowers verwendet und primär für eine unternehmensinterne Lösung einsetzt. Auch insoweit ist es sinnvoll, einen Rechtsanwalt hiermit zu beauftragen, da diesem diese Situation täglich begegnet.

 

Das Problem an diesem System liegt selbstverständlich auf der Hand, die durch den Auftraggeber bezahlte externe Whistleblowingstelle muss wiederum die Interessen eines Dritten vertreten, nämlich die des Whistleblowers. Die Rolle des Auftraggebers wechselt demnach mit dem Zeitpunkt, in dem der Whistleblower seine Information offenbart.

 

In diesem Zusammenhang sollte die externe Stelle ihren Fokus zunächst auf die Anonymisierung der durch den Whistleblower offenbarten Information richten. Die offenbarten Missstände müssen demnach in einer solchen Form an den Auftraggeber herangetragen werden, dass dieser die offenbarende Person nicht unmittelbar identifizieren kann. Kann die Stelle dies nicht leisten, ist sie für diese Tätigkeit gänzlich ungeeignet. Auch an dieser Stelle wäre wiederum die Einschaltung eines Berufsgeheimnisträgers angeraten, da dieser im Umgang mit Geheimnissen bereits eine gewisse Erfahrung mitbringt. Dass der Vertrag zwischen dem Unternehmen und der Whistleblower-Stelle damit quasi ein Vertrag zu Gunsten Dritter bzw. mit Schutzwirkung für Dritte ist, steht dem nicht entgegen.

 

Ein weiteres, dem Whistleblowing immanentes Problem bildet die Frage, ob die von dem Whistleblower vorgelegten Informationen und Dokumente tatsächlich echt sind, oder ob diese gefälscht sind, um das Unternehmen gezielt zu denunzieren. Daher hat die mit dem Whistleblowing betraute Stelle den Whistleblower auch ausführlich über die Rechtsfolgen zu belehren, die für den Fall entstünden, dass das Instrument des Whistleblowing zu einem solchen Zweck missbraucht wird. Sollte hierbei offenkundig werden, dass es sich um falsche oder verfälschte Dokumente handelt, kann die Whistleblowingstelle zum Schutz des Whistleblowers die Verwendung der Dokumente verweigern.

 

In der Bundesrepublik Deutschland ist Whistleblowing noch immer ein ständig und kontrovers diskutiertes Thema, auch weil es derzeit an einer allgemeinen gesetzlichen Regelung zum Schutz des Whistleblowers fehlt. Es gab zwar bereits verschiedene Gesetzesinitiativen, meist durch die Fraktion „Die Linke“ oder der Fraktion „Die Grünen“, um einen adäquaten Schutz des Whistleblowers zukünftig auch gesetzlich bieten zu können und somit letztendlich das Whistleblowing als solches zu fördern. Wie vorgenannt dargestellt, gibt es einige gute Gründe, ein solches Whistleblowingsystem freiwillig einzuführen.

 

Abschließend sei erwähnt, dass Whistleblowing in der Regel in deutschen Unternehmen ohne einen ausländischen Mutterkonzern, bzw. in der Öffentlichkeit, ein derzeit noch immer negativ behaftetes Thema darstellt. Hat ein deutsches Unternehmen hingegen beispielsweise einen US-amerikanischen Mutterkonzern, so hat das Thema Whistleblowing einen anderen

 

Stellenwert. Dieser Stellenwert resultiert aus dem unterschiedlichen kulturellen Verständnis, das dem Thema Whistleblowing zukommt. In der Regel muss der Whistleblower hierzulande auch weitreichende persönliche Nachteile befürchten, wenn er ihm zur Kenntnis gelangte Missstände, sei es intern oder sogar extern, offenbart.

 

Weiterhin sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sofern ein Unternehmen seinen Beschäftigten kein vertrauenswürdiges internes oder externes Whistleblowingsystem anbietet, dieses Gefahr läuft, dass sich Beschäftigte unmittelbar an Dritte (dann häufig ebenfalls an Rechtsanwälte, oft in Anbetracht der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes) oder direkt an die Öffentlichkeit wenden. Wie bereits oben erwähnt, gehen mit der Offenbarung der Missstände in der Öffentlichkeit meist unmittelbare und mittelbare Schäden für das Unternehmen einher. Somit kann ein funktionierendes Whistleblowingsystem nachhaltig zu einem Unternehmenserfolg beitragen.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unser TEAM-Mitglied Kai Schnabel

 

Infoblatt:

 

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