Vorwort:
Die nachfolgenden Erläuterungen sollen Ihnen einen Überblick über die Grundlagen der strafrechtlichen
Compliance, sog. Criminal Compliance geben.
Der erste Teil ist eine Zusammenstellung häufig in der Praxis anzutreffender Fragen in Bezug auf Grundlagen der Criminal Compliance bzw. Strafverfahren im Allgemeinen. Die Zusammenstellung erfolgt im FAQ-Stil, damit der Anwender schnell die für ihn wesentlichen Fragen ausfindig machen kann. Am Anfang des FAQ findet sich eine Auflistung aller Fragen. Die numerische Anordnung erleichtert das Auffinden der jeweils interessierenden Fragen.
Der zweite Teil ist eine Checkliste, welche die wesentlichen Inhalte des FAQ gestrafft und in Frageform wiedergibt. Die Checkliste soll den Leser eigenen Handlungsbedarf erkennen und ausloten lassen. Sie sollte allerdings nicht als erschöpfend bzw. allgemeinverbindlich angesehen werden.
Am Ende des Handouts ist weiterführende Literatur zu den angesprochenen Problemkreisen angegeben:
1. Was bedeutet Compliance?
Compliance bedeutet für ein Unternehmen im Allgemeinen, Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass vorhandene Regeln in Form von zum Beispiel Gesetzen und Verordnungen durch die Mitarbeiter des Unternehmens eingehalten werden. Der Begriff wurde 2007 in den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) aufgenommen. Das wichtigste Ziel von Compliance besteht in der Minimierung von Haftungsrisiken für das Unternehmen durch Fehlverhalten von Unternehmensmitarbeitern. Ein Unternehmen, das ein Compliance-System eingerichtet hat, führt nicht nur eine Sozialkontrolle seiner Mitarbeiter aus, sondern kann im Einzelfall staatliche Einrichtungen wie zum Beispiel eine Staatsanwaltschaft bei deren Aufgaben unterstützen. Compliance betrifft in aller Regel typische Risikofelder eines Unternehmens, wie zum Beispiel das Wettbewerbsrecht, das Antikorruptionsrecht, das Außenwirtschaftsrecht, Datenschutzrecht, Arbeitsrecht, sowie Produkthaftungsrecht. Es hängt von der Größe und Beschaffenheit des jeweiligen Unternehmens ab, welche Risikofelder von Compliance betroffen sein können. Diese Risikofelder werden durch eine Risikoanalyse (so genannte Detektion) ermittelt. Compliance macht allgemein nur dann betriebswirtschaftlich Sinn für ein Unternehmen, wenn die hierfür notwendigen Investitionen und Kosten geringer sind, als diejenigen, die ohne Compliance (infolge eines Betriebsunfalls etc. und der sich anschließenden Gerichtsverfahren) entstünden. Durch das Landgericht München I wurde zum Beispiel im sog. „Ferrostaal-Verfahren“ ein Nachlass auf die verhängte Unternehmensgeldbuße in Höhe von 30.000.000 € gewährt, weil das Unternehmen ein Compliance-Management-System eingerichtet hatte.
2. Was ist die Aufgabe von Criminal Compliance?
Die vorrangige Aufgabe von Criminal Compliance besteht nicht allein darin, strafrechtliches Fehlverhalten zu verhindern. Vielmehr hat Criminal Compliance zum Ziel, bereits den Anschein strafrechtwidrigen Verhaltens zu vermeiden, denn alleine der Verdacht bzw. „böse Schein“ kann den Ruf und damit das Ansehen eines Unternehmens irreparabel beschädigen. Criminal Compliance betrifft nicht nur klassische Straftatbestände aus dem sogenannten Wirtschaftsstrafrecht, wie zum Beispiel Untreue, Betrug, Bankrottdelikte, Insolvenzverschleppung, etc. Dieser Sonderbereich von Compliance bezieht sich vielmehr auch und insbesondere auf Sachverhalte mit wirtschaftsstrafrechtlichen Bezügen und nicht nur auf „klassische“ Wirtschaftsstraftaten. Dies kann dazu führen, dass ein Lebenssachverhalt, wie zum Beispiel ein Betriebsunfall, sowohl das Strafrecht, das Gewerberecht, das Haftungsrecht und das Versicherungsrecht betreffen kann. Criminal Compliance muss seinerseits compliant sein, weil sich illegales Verhalten von Unternehmensmitarbeitern nicht durch strafrechtswidrige Maßnahmen korrigieren lässt – Feuer kann man nicht mit Benzin löschen.
3. Was ist der Unterschied zwischen Criminal Compliance und Compliance?
Compliance ist der Oberbegriff, in welchem Criminal Compliance beinhaltet ist. Criminal Compliance betrifft die Unternehmensorganisation im Hinblick auf Risikomanagement und die Vermeidung von strafrechtlichen Risiken in Unternehmen, und zwar sowohl für die Geschäftsführung, als auch den einzelnen Mitarbeiter. Denn nach der Rechtsprechung kann sich zum Beispiel eine so genannte Organisationsherrschaft für ein Wirtschaftsunternehmen ergeben, nach welcher auch Mitarbeiter in Führungspositionen strafrechtlich vom Staat zur Verantwortung gezogen werden können. Auch kann sich aus dem mangelhaft kontrollierten Inverkehrbringen von gefährlichen Produkten eine so genannte strafrechtliche Garantenpflicht ergeben. Diese kann im Einzelfall zu strafrechtlicher Verantwortlichkeit eines Unternehmensmitarbeiters in höherer Hierarchie führen. Criminal Compliance setzt an diesen Problemkreisen an, um die Gefahren für den einzelnen Mitarbeiter des Unternehmens, als auch das Unternehmen selbst, zu minimieren, mit einer Geldbuße, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe sanktioniert zu werden, falls der Krisenfall eintritt. Mit anderen Worten: Criminal Compliance soll den Strafprozess stoppen, bevor er beginnt.
4. Was ist bei Bekanntwerden eines Strafverfahrens zu beachten?
Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich von dem Stadium ab, in welchem sich das Strafverfahren befindet: Grundsätzlich unterscheidet man das außergerichtliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und das gerichtliche Hauptverfahren vor einem Gericht. Befindet sich das Strafverfahren noch im Stadium des Ermittlungsverfahrens, besteht die Möglichkeit, einen Gerichtsprozess zu verhindern. Es ist allerdings auch möglich, dass eine Privatperson direkt eine Anklageschrift oder Strafbefehl von einem Gericht erhält. In diesen Fällen lässt sich eine Hauptverhandlung vor Gericht meist nicht mehr verhindern. Aufgrund dieser Vorüberlegungen ist bei Bekanntwerden eines Strafverfahrens unbedingt ein Antrag auf Akteneinsicht durch einen Rechtsanwalt zu stellen. Denn nur dieser kann nach Erhalt der Akte eine verlässliche Prüfung vornehmen, welche tatsächlichen Gefahren von dem Strafverfahren ausgehen. Viele betroffene Privatpersonen und Firmen empfinden Strafverfahren subjektiv als bedrohlicher, als objektiv eine ernstzunehmende Gefahr tatsächlich droht. Viele Verfahren werden ohne Urteil eingestellt, sofern rechtzeitig Verteidigungsmaßnahmen ergriffen werden. Allerdings hängt es hierbei auch entscheidend von der Schwere des Tatvorwurfs ab: Eine Untreue im Millionenbereich ist selbstredend etwas anderes als eine fahrlässige Körperverletzung mit geringen Folgen anlässlich eines Betriebsunfalles.
5. Wie sollte man sich grundsätzlich bei Bekanntwerden eines Strafverfahrens ver- halten?
Die oberste Regel lautet: Keine Panik auf der Titanic! Wie bereits bei der voranstehenden Frage angedeutet, werden die tatsächlichen Gefahren, die von einem Strafverfahren ausgehen, subjektiv häufig falsch beurteilt, weil Strafen befürchtet werden, die unrealistisch hoch sind. Nichtsdestotrotz lehrt die Erfahrung, dass die persönliche Betroffenheit mit einem Strafverfahren massive psychische Belastungen mit sich bringen kann.
Erfahrungsgemäß dauern Strafverfahren mitunter viele Monate an, bevor sie abgeschlossen werden. In diesen Monaten hat der Betroffene dementsprechend viel Zeit zum Nachdenken. In jedem Falle kann nahezu ausnahmslos die Empfehlung ausgesprochen werden, von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch zu machen und einen Rechtsanwalt frühzeitig damit zu beauftragen, Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft zu beantragen. Erst nach Kenntnis des genauen Wissensstandes des Staatsanwalts ist eine Gefahrenprognose seriös möglich. In jedem Falle sollte der Betroffene nicht überreagieren, sondern Ruhe bewahren und sich nicht zu kopflosen und hastigen Entscheidungen hinreißen lassen.
6. Was sollte eine Privatperson in jedem Falle beachten?
Der Beschuldigte eines Strafverfahrens hat, wie in der vorstehenden Antwort ausgeführt, ein Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden. Erfahrungsgemäß werden viele außergerichtliche Strafverfahren im Ermittlungsstadium durch Staatsanwaltschaften bundesweit eingestellt, wenn sich die Betroffenen (sog. Beschuldigte) nicht zu den Vorwürfen vorschnell äußern, sondern höchstens, wenn überhaupt, eine schriftliche Stellungnahme nach zuvor erfolgter Akteneinsicht abgeben. Niemand muss Zeugnis gegen sich selbst ablegen, oder der Staatsanwaltschaft die Informationen an die Hand geben, um eine Anklage gegen sich selbst veranlassen zu können. Bei Bekanntwerden eines Strafverfahrens sollte umgehend anwaltlicher Rat eines Strafverteidigers eingeholt werden. Das Internet ist hier nicht der richtige Ansprechpartner und Ratgeber, auch wenn manche Foren, Blogs, etc. einen anderen Eindruck erwecken.
7. Was sollte ein Unternehmen in jedem Falle beachten?
Anders als eine Privatperson läuft ein Unternehmen nicht Gefahr, inhaftiert zu werden. Denn das deutsche Recht kennt, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt, kein Unternehmensstrafrecht im engeren Sinne. Nichtdestotrotz kann durch öffentliches Bekanntwerden eines Strafverfahrens der Ruf eines Unternehmens nachhaltig und irreparabel geschädigt werden.
Ebenfalls ist es möglich, dass von Behörden Bescheide mit empfindlichen Bußgeldern gegen Unternehmen verhängt werden. Je nach Einzelfall bestehen zum Teil monetäre Interessen, mit Maßnahmen der sog. Gewinnabschöpfung Einnahmen zu generieren. Aus diesen Gründen darf ein Unternehmen die Einleitung eines Strafverfahrens gegen „nur“ einzelne Mitarbeiter niemals auf die leichte Schulter nehmen. Es drohen neben dem Strafverfahren und dem angesprochenen Reputationsverlust auch zivilrechtliche Klagen, die ein erhebliches Kostenrisiko mit sich bringen können.
8. Zu welchem Zeitpunkt sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden?
Aus den Antworten zu den vorstehenden Fragen ergibt sich, dass ein Rechtsanwalt im Falle eines Strafverfahrens so schnell wie möglich beauftragt werden sollte. Erfahrungsgemäß lassen sich viele Ermittlungsverfahren durch eine taktisch angelegte schriftliche Einlassung noch in diesem Verfahrensstadium stoppen, infolgedessen es nicht zu einer Gerichtsverhandlung kommt.
Sobald sich Ermittler wie Staatsanwälte und Polizeibeamte auf bestimmte Beschuldigte fokussiert haben, ist es meist sehr schwierig, diese Festlegung durch anwaltliche Arbeit zu beeinflussen. Manche Strafverteidiger sprechen in diesem Kontext von einer sogenannten „Trägheit der Ratio“.
9. Ist es sinnvoll, sich selbst zu verteidigen?
Von allen Übeln, die in einem Strafverfahren lauern, ist die Selbstverteidigung mit Abstand das Schlimmste, was geschehen kann. Nicht ohne Grund heißt es unter Strafverteidigern, „Wer sich selbst verteidigt, hat einen Narren zum Mandanten“. Niemand ist objektiv in eigenen Angelegenheiten. Aus diesem Grunde ist ausnahmslos davon abzuraten, sich selbst zu verteidigen, weil die erforderliche professionelle Distanz zum Geschehenen von vornherein nicht möglich ist. Es ist daher absolut kontraproduktiv, im Falle des Bekanntwerdens eines Strafverfahrens sich selbst verteidigen zu wollen. Selbst Staatsanwälte räumen in vertraulichen Gesprächen dann und wann ein, im Falle eines eigenen Strafverfahrens sofort einen Anwalt zu konsultieren und nicht das Heft selbst in die Hand zu nehmen.
10. Wie finde ich den geeigneten Anwalt für meinen Fall?
Wenn Sie Zahnschmerzen haben, gehen Sie zu einem Zahnarzt und nicht zu einem Ohrenarzt, richtig? Dasselbe sollte für die Auswahl eines Rechtsanwalts gelten, wenn man sich gegen den Vorwurf eines Strafverfahrens zur Wehr setzen will. Suchen Sie sich einen Rechtsanwalt, der Strafrecht als Tätigkeitsschwerpunkt ausübt oder Fachanwalt für Strafrecht ist. Im postindustriellen Dienstleistungszeitalter ist es bei dieser Frage mehr als sinnvoll, unter Inanspruchnahme des
Internets einen geeigneten Rechtsanwalt zu finden. Es macht dabei häufig Sinn, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der nicht im eigenen Wohnort wohnt, um damit die Gefahr zu minimieren, das Dritte von dem Strafverfahren Kenntnis erlangen. Holen Sie sich am besten mehrere Angebote von Rechtsanwälten ein und treffen eine sorgfältige Auswahl. Lassen Sie sich dabei aber bitte nicht vom schönen Schein täuschen: Aussagekräftiger als eine hochmodern eingerichtete Kanzlei in ansehnlicher Lage sind Referenzen, Empfehlungen, Publikationen und Bewertungen der Kanzlei im Internet.
11. Besteht eine Pflicht, bei der Polizei zu erscheinen, um eine Aussage zu tätigen?
Niemand ist verpflichtet, bei der Polizei zu erscheinen, um eine Aussage zu tätigen. Das bedeutet, weder ein Zeuge, noch der Beschuldigte des Strafverfahrens selbst, sind rechtlich verpflichtet, bei der Polizei zu erscheinen und eine Aussage zu tätigen. Allerdings ist es empfehlenswert, ein Anschreiben oder ein Anruf der Polizei nicht zu ignorieren, sondern kurz telefonisch Kontakt aufzunehmen, um mitzuteilen, dass man einen Rechtsanwalt beauftragen wird, der in den kommenden Tagen Akteneinsicht beantragt und das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft zu erfragen. Die Polizei wird auf einen solchen Anruf hin die Akte an die zuständige Staatsanwaltschaft zurücksenden. Wird dann ein Rechtsanwalt beauftragt, kann dieser direkt die Staatsanwaltschaft kontaktieren, was erfahrungsgemäß dazu führt, dass die Akte viel schneller übersandt wird, als wenn das erste Schreiben an die Polizei rausgeht. Dies liegt daran, dass die Polizei keine Akteneinsicht gewähren kann. Akteneinsicht gewährt nur eine Staatsanwaltschaft - oder ein Gericht.
12. Wann darf das Zeugnis verweigert werden?
Grundsätzlich lassen sich zwei Rechte unterscheiden, mit denen man um eine Aussage bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht herumkommt: Einerseits gibt es das sog. Zeugnisverweigerungsrecht, das nur bestimmten Personen (zum Beispiel nahen Angehörigen) zusteht. Andererseits gibt es ein Auskunftsverweigerungsrecht, welches von einem schuldigen Zeugen in Anspruch genommen werden kann. Dieses Recht greift dann ein, wenn eine Person sich durch eigene Angaben zum Beweismittel gegen sich selbst machen könnte. Aus diesem Grunde räumt der Gesetzgeber das Recht ein, die Auskunft zu verweigern, wenn man mit der Auskunft unter anderem Gefahr liefe, sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen. Allerdings muss in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass Fragen von Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechten sehr diffizil sind und nicht pauschal beantwortet werden können. Ob, und wenn ja, in welchem Umfang solche Rechte einer Person zustehen, kann nur ein Rechtsanwalt nach Akteneinsicht und Rücksprache mit der betroffenen Person verlässlich beantworten.
13. Wann darf man zu strafrechtlichen Vorwürfen schweigen?
Der Beschuldigte eines Strafverfahrens hat von Verfassung wegen das Recht, zu strafrechtlichen Vorwürfen zu schweigen, um sich nicht zum Beweismittel gegen sich selbst zu machen. In den allermeisten Strafverfahren ist es am hilfsreichsten für den Beschuldigten, zu keinem Zeitpunkt Angaben zur Person und/oder zur Sache zu machen. Manche Anklagen der Staatsanwaltschaft sind alles andere als „wasserdicht“. Wenn ein Gericht in einem Strafverfahren von der Schuld des Angeklagten nicht überzeugt ist, muss es diesen freisprechen - gelegentlich erfolgt eine Verfahrenseinstellung als „Freispruch 2. Klasse“. In einem Zivilprozess sieht es völlig anders aus: Wenn dort zum Beispiel der Kläger das Gericht nicht überzeugt und er aus Sicht des Gerichts beweisfällig geblieben ist, wird seine Klage abgewiesen. Vereinfacht ausgedrückt verhält es sich so, dass tatsächliche Unsicherheit im Strafprozess sich meist zugunsten des Beschuldigten auswirkt, während sich dies im Zivilprozess genau umkehrt. So betrachtet ist Schweigen oftmals eine sehr effektive und einfach zu vollziehende Verteidigungsstrategie.
14. Besteht eine Pflicht, bei der Polizei zu erscheinen, um sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen?
Die erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei in Form von zum Beispiel Fingerabdrücken und Fertigung von Lichtbildern kann auch von einem Experten des Strafrechts nicht verhindert werden. Die Strafprozessordnung(StPO) in Deutschland regelt diesbezüglich ausdrücklich, dass auch der Beschuldigte sich gegen seinen Willen derartigen Maßnahmen unterwerfen muss.
D.h., im Falle einer Weigerung können diese Maßnahmen notfalls mit geeigneten Zwangsmaßnahmen der Polizei durchgesetzt werden. So betrachtet existiert eine faktische Pflicht, sich von der Polizei erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.
15. Besteht eine Pflicht, vor Gericht zu erscheinen?
Grundsätzlich sind Verfahrensbeteiligte wie Zeugen, Verteidiger und Beschuldigte verpflichtet, vor Gericht zu erscheinen. Zu diesem Zweck werden im Vorfeld einer gerichtlichen Hauptverhandlung „Ladungen“ durch das zuständige Gericht versandt. Sofern eine Person ordnungsgemäß geladen worden ist und nicht zur Hautverhandlung erscheint, können nicht nur Ordnungsgelder verhängt werden. Im Falle des unentschuldigt ausgebliebenen Beschuldigten ist es sogar möglich, dass dieser wegen Ungehorsams in Untersuchungshaft kommt. Aus diesen Gründen sind Ladungen des Gerichts unbedingt zu beachten. Je nach Einzelfall bestehen Möglichkeiten, den Beschuldigten oder Zeugen von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbinden zu lassen. In jedem Falle ist das eigenmächtige Ausbleiben, von welchem Verfahrensbeteiligten auch immer, brandgefährlich: Es gibt Berichte, dass mancher Richter nicht davor zurückschreckt, einen unentschuldigt ausgebliebenen Laienrichter (sog. Schöffen) von der Polizei kurzfristig zu Hause abholen zu lassen.
16. Kann man als Beschuldigter einer Straftat Akteneinsicht beantragen?
Die Rechte des Beschuldigten, ohne Verteidiger Akteneinsicht zu halten, sind von der Strafprozessordnung (StPO) äußerst eingeschränkt. Nur im absoluten Ausnahmefall erhält der Beschuldigte ohne Verteidiger vollständige Akteneinsicht - ein solcher Fall ist jedenfalls aus der eigenen forensischen Praxis nicht bekannt. Daraus lässt sich die Erkenntnis gewinnen, dass der Beschuldigte selbst faktisch kein Recht auf Akteneinsicht hat. Selbst wenn ein Beschuldigter Akteneinsicht erhalten würde, wäre dieser Umstand meist nicht hilfreich oder zielführend: Denn es ermangelt dem Beschuldigten in der Regel an der erforderlichen Erfahrung und Expertise, die Inhalte einer Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf ihr Gefahrenpotenzial richtig beurteilen zu können.
17. Wie lange dauert ein Strafverfahren?
Die Dauer eines Strafverfahrens hängt von vielerlei Faktoren ab: Tatvorwurf, Arbeitsüberlastung der Staatsanwaltschaft, Motivation des Staatsanwalts und viele andere Umstände haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie lange ein Strafverfahren dauert. Hier ist weiter zu bedenken, dass ein Strafverfahren sich über mehrere Gerichtsinstanzen hinweg erstrecken kann. Strafverfahren können demzufolge wenige Wochen, als auch viele Jahre, andauern. Eine belastbare Prognose zur Dauer kann meist nur ein Strafverteidiger abgeben, der den Inhalt der betreffenden Verfahrensakte vollständig überblickt.
18. Welche Ausgänge eines Strafverfahrens sind theoretisch möglich?
Das Ende eines Strafverfahrens ist von vielen Faktoren abhängig. Tatvorwurf, Ermittlungsaufwand, persönliches Interesse des Staatsanwalts an dem Verfahren, Verhalten von Zeugen u.v.m. haben einen prägenden Einfluss darauf, mit welchem Ergebnis ein Strafverfahren abgeschlossen wird. Es sind sowohl Verfahrenseinstellungen im Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung, als auch freisprechende und schuldsprechende Urteile vor Gericht, denkbar. Die vorstehende Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.
19. Kommt eine Rechtschutzversicherung für die Anwaltskosten auf?
Ob eine Rechtschutzversicherung für die Verteidigungskosten eines Rechtsanwaltes aufkommt, hängt sowohl vom abgeschlossenen Vertrag des Beschuldigten mit der Rechtschutzversicherung, als auch vom infrage stehenden Tatvorwurf ab. Eine pauschale Antwort ist hier leider nicht möglich. Als „Daumenregel“ kann folgendes gelten: Delikte, die nur vorsätzlich wie zum Beispiel Betrug, Totschlag, Raub etc. begangen werden können, sind in den allermeisten Verträgen von Rechtschutzversicherungen vom Deckungsschutz von vornherein ausgeschlossen. Als weitere „Daumenregel“ gilt, dass die meisten Delikte, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen werden (zum Beispiel Unfallflucht, fahrlässige Körperverletzung im Straßenverkehr etc.) jedenfalls vorläufig Deckungsschutz erhalten. Letzteres bedeutet, dass die Rechtschutzversicherung die Kosten des Anwaltes trägt, sofern der Beschuldigte nicht später rechtskräftig durch ein Gericht verurteilt wird.
20. Wann gilt man als Privatperson vorbestraft?
Die Einzelheiten dieser Frage regelt das Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Grundsätzlich gilt, dass im Falle eines Schuldspruches durch ein Gericht durch Urteil oder Strafbefehl die betreffende Person als vorbestraft gilt. Eine ganz andere Frage ist es jedoch, ob diese Vorstrafe Dritten bekannt gegeben wird bzw. werden darf: Diese Frage ist von vielen Einzelheiten abhängig und kann nicht pauschal beantwortet werden. Es gibt bestimmte Strafobergrenzen, die mit darüber entscheiden, ob zum Beispiel ein Schuldspruch in ein Führungszeugnis zur Vorlage bei Privatpersonen eingetragen wird. Andererseits gibt es auch so genannte erweiterte Führungszeugnisse, die für den Betroffenen bzw. Beschuldigten sehr viel problematischer sind. Die Beantwortung der Frage hängt vom jeweiligen Tatvorwurf und dem kriminellen Vorleben des Beschuldigten ab. Ein Strafverteidiger kann diese Frage nach Kenntnis der amtlichen Verfahrensakte zuverlässig beantworten.
Checkliste
o Ist Ihnen bekannt, was Compliance im Allgemeinen bedeutet?
o Wissen Sie, wie Sie sich bei Bekanntwerden eines Strafverfahrens verhalten sollen?
o Welcher Rechtsanwalt soll erforderlichenfalls beauftragt werden?
o Wann wollen Sie einen Rechtsanwalt beauftragen?
o Was muss allgemein beachtet werden, wenn ein Schreiben der Polizei eingeht?
o Sind Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte den Mitarbeitern bekannt?
o Ist eine Strafrechtschutzversicherung abgeschlossen?
o Wenn ja: Für welche Bereiche und welche Personen?
o Sind die möglichen Ausgänge eines Strafverfahrens bekannt?
o Werden die möglichen Gefahren eines Strafverfahrens richtig eingeschätzt?
o Wird die mögliche Dauer eines Strafverfahrens richtig beurteilt?
o Wie kann möglichst schnell Akteneinsicht beantragt werden?
Literatur
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